Alljährlich im Frühling überschlagen sich die Pressemitteilungen von Fernsehsendern und Filmförderungen, und allen ist klar: Es geht wieder ums ganz große Kino! Am Freitag wurden in Berlin die „Deutschen Filmpreise“ verliehen. Und zwar 13 an Arte, 8 ans ZDF, fünf an den WDR und weitere an SWR und MDR. Die Moin Filmförderung meldet 9 „Lolas“ für den Film-Norden, ebenso viele die Filmstiftung NRW, und damit brechen wir die Aufzählung ab, weil’s ja nur 19 Preise in den 17 Kategorien gibt. Und die sind doch für Andere gedacht. Mit neun Nominierungen (und dem „Silbernen Bären“ auf dem Rücken) war Matthias Glasners „Sterben“ klarer Favorit: Das Familiendrama wurde als bester Spielfilm ausgezeichnet (Produktion: Jan Krüger, Ulf Israel und Matthias Glasner). Silber ging an Adrian Goingers Historiendrama „Der Fuchs“ (Produktion: Hana Geißendörfer, Malte Can und Gerrit Klein), für den auch Simon Morzé den Preis als bester Hauptdarsteller erhielt. Bronze gewann der Thriller „Im toten Winkel“ (Produktion: Mehmet Aktaş) – Ayşe Polat zudem die „Lolas“ für Regie und Drehbuch. Drei „Lolas“ konnte auch „Die Theorie von Allem“ mit nach Hause nehmen. Der schwarz-weiße Mysterythriller von Timm Kröger war sechsmal nominiert und wurde für die Bildgestaltung (Roland Stuprich), Szenenbild (Cosima Vellenzer und Anika Klatt) und VFX (Kariem Saleh und Adrian Meyer) ausgezeichnet. So gar nicht zufrieden ist Susanne Lenz in der „Berliner Zeitung“ [Bezahlschranke] mit der Preisgala, auf der auch die 102-jährige Holocaust-Überlebende Margot Friedländer sprach, eher als politischer „Exorzismus“ nach dem Abschlussdebakel bei der Berlinale. „Die Kulturwelt präsentierte sich bei der Verleihung des ,Deutschen Filmpreises’ in Berlin ganz im Sinne der deutschen Staatsräson. Die komplizierte Wirklichkeit blieb draußen.“ Ganz anders sieht das Jenni Zylka in der „Taz“, dafür beginnt sie sogar mit Siegfried Krakauer: „Film ist ein Reflexionsmedium der Wirklichkeit. Was wir auf der Leinwand sehen, spiegelt uns, und verhilft uns damit zu neuen Perspektiven.“ Demnach zeige der „Deutsche Filmpreis“ gut, wie es uns momentan geht. Die Gala selbst findet sie allerdings etwas zu gut gemeint – gleich sieben Menschen führten durch den Abend. „Die Größe der Moderator*innenriege, die für Diversität stehen sollte, funktionierte nur begrenzt, weil so niemand auf etwas reagieren, dem Abend etwas Persönliches mitgeben konnte. Die Erfahrungen mit politischen Äußerungen auf Kulturbühnen, die zuletzt immer wieder zu (vor allem medialen) ,Eklats führte, machten sich bemerkbar: Man war zurückhaltend, dabei aber angemessen besorgt.“ So erlebt es auch Christian Meyer in der „Süddeutschen Zeitung“ [Bezahlschranke]. „Es fehlt vor allem Timing, Präzision, und man spürt, dass viele gute Absichten eines verhindern: Entertainment, das scheinbar mit spielerischer Leichtigkeit einhergeht, aber harte Arbeit ist.“ Macht aber nichts, weil sich auch zeigte, „wie wohltuend es ist, wenn sich nicht alle an die Regeln halten.“ Die Ehrenpreisträgerin zum Beispiel: Hannah Schygulla, „die spätestens seit den Filmen von Rainer Werner Fassbinder ein internationaler Star ist und gerade wieder in ,Poor Things’ glänzt, bringt das Publikum mehrfach zum Staunen, allein schon durch den komödiantischen Kampf mit ihren Zetteln. Sie holt mächtig aus in ihrer Rede und widersetzt sich der Zumutung, als ,Erinnerungsstück der Vergangenheit’ vorgeführt zu werden. Der ganze Saal spürt, wie die Moderatoren mit Blick auf die Uhr immer nervöser werden und Kosslick schon überlegt, wie er ihr halbwegs diplomatisch das Wort entziehen kann, doch Schygulla macht stoisch weiter: ,Ich bin eine Ikone, die dauernd aus ihrem Goldrahmen raus steigt.’ Der Rest geht im dankbaren Applaus unter, irgendwie gelingt es doch noch, die Ehrenpreisträgerin wieder heil die Showtreppe herab zu lotsen, an die Seite der notorisch gut gelaunten Kulturstaatsministerin Claudia Roth.“ Die Aufzeichnung der Preisgala gibt’s in der ARD-Mediathek zu sehen.
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