Einer unter Millionen
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Einer unter Millionen

„Unerwartet und plötzlich“ ist der Schauspieler, Autor und Regisseur Hardy Krüger am Mittwoch im Alter von 93 Jahren gestorben, meldet unter anderem das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. In rund 75 Filmen spielte Krüger die Hauptrolle, er war einer der wenigen deutschen Schauspieler, denen eine internationale Karriere gelang. Den Durchbruch schaffte er 1957 in dem britischen Kriegsfilm „Einer kam durch“, spielte neben John Wayne in „Hatari!“ und James Stewart in „Der Flug des Phoenix“.
Hier zeigte er der Welt 1965 den „guten Deutschen“, schreibt Arno Frank im „Spiegel“: „In diesem Heinrich Dorfmann kulminierte, was Hardy Krüger dem internationalen Kino vor allem der Sechzigerjahre geben konnte: einen Deutschen, der vielleicht kompliziert und nicht ganz dicht ist, aber ganz sicher kein Bösewicht.  Gedeckt war dieses Image auch durch Krügers eigene Biografie. Geboren 1928 in Berlin, schickten seine vom Regime begeisterten Eltern ihn auf eine Adolf-Hitler-Schule nach Sonthofen. Er sollte und wollte Ingenieur werden, wurde aber – seiner blonden Haare und blauen Augen wegen – für eine Nebenrolle in einem Propagandafilm (,Junge Adler’) besetzt. Bei den Dreharbeiten in Babelsberg machte der Fünfzehnjährige die Bekanntschaft zweier älterer Schauspieler, die ihm die Augen für die Gräuel der NS-Führung öffneten. In den letzten Kriegsmonaten wurde er zu einer Division der Waffen-SS eingezogen, desertierte aber so bald sich eine Gelegenheit bot.“ 
Er war mehr als nur ein Weltstar, meint Claudius Seidl und macht sich in seinem Nachruf in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ tiefere Gedanken: „Es muss einer kein guter Mensch sein, damit er ein guter Schauspieler wird, und in der Geschichte dieser Kunst gehören Figuren wie Gustaf Gründgens und Heinrich George zu den interessanteren. Und vielleicht ist man ja nur im Nachhinein klüger, wenn man heute glaubt, in ihrem Spiel, ihren Filmen außer ihrem Können auch den Opportunismus und die moralische Indifferenz zu erkennen. Aber dass deren Gegenteil, ein anständiger Charakter nämlich und eine stabile Moral, im Kino geradezu zum Handwerkszeug eines Schauspielers werden können, glaubt man in jeder Szene, in der Hardy Krüger spielt, deutlich zu erkennen: Man gibt sein Herz nicht an der Garderobe ab, bevor man ein Filmset betritt, und die Bilder sind viel zu groß, die Kamera kommt viel zu nahe, als dass man eine Rolle allein mit Mimikry, Als-ob und gut trainierten Emotionssimulationen bewältigen könnte. Und genau deshalb war Hardy Krüger im deutschen Nachkriegsfilm eine singuläre und zugleich widersprüchliche Figur. Die meisten dieser Filme waren ja nicht deshalb so flau und fast schon steril, weil Regisseure oder Kameraleute plötzlich ihr Handwerk verlernt hätten. Es lag an den Geschichten, die sie sich nicht zu erzählen trauten. Vor allem lag es aber an den Menschen, die sie bevölkerten. Es waren Männer, immer Männer, denen es nur aus einem Grund an Tiefe und an Stärke mangelte: Weil sie nichts so sehr zu fürchten hatten wie die Frage, wo sie vor zehn, fünfzehn Jahren gewesen waren. Und was sie dort getan und gesehen hatten. […] Und so stand dem Publikum in den Fünfzigerjahren dieser junge Mann vor Augen, ein Schauspieler, der ein stabiles Rückgrat mit in seine Rollen brachte und der sich deshalb eine andere Präsenz, eine lässigere Körperlichkeit, ein offeneres Lächeln leisten konnte als die steifen Figuren um ihn herum. Und der doch durch die meisten seiner Rollen auch eine gewisse Fremdheit, einen Hang zum Zögern, eine manchmal fast aufreizende Nachdenklichkeit trug.“  
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