„Die Weimer-Affäre zieht immer weitere Kreise“, meldet die „Junge Welt“. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer waren Urheberrechtsverletzungen vorgeworfen worden: Das Online-Magazin „The European“, seit zehn Jahren Teil seiner Weimer Media Group, hatte ungefragt Reden von Politiker*innen und anderen Prominenten nachgedruckt und sie als „Autoren“ angeführt. „Erst am Dienstag hatte die Weimer Media Group nach Abmahnungen zwei Unterlassungserklärungen abgeben müssen. Zum einen verpflichtete sie sich gegenüber der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel dazu, die Politikerin in dem Magazin ,The European’ nicht mehr ,unsere Autorin’ zu nennen […]. Zum anderen hatte die Kanzlei Haintz legal durchgesetzt, dass Weimers Medium nicht mehr falsch behauptet, für ,The European’ schrieben ,2.000 Autoren’.“ Die Kölner Anwaltskanzlei habe außerdem Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) abgemahnt. „Der Vorwurf lautet unlautere Werbung für den Ludwig-Erhard-Gipfel der Weimer Media Group. Das Unternehmen gehört trotz gegenteiliger Behauptungen der Bundesregierung weiterhin dem Kulturstaatsminister Wolfram Weimer und dessen Ehefrau Christiane Götz-Weimer zu je 50 Prozent. Das hatte die ,Junge Freiheit’ enthüllt.“ Auf der Website wirbt Merz mit Nennung seines Titels als „Bundeskanzler“ für die Teilnahme an der Veranstaltung, ebenso weitere führende Politiker*innen. „Die Kanzlei von Rechtsanwalt Markus Haintz wurde nach eigenen Angaben von einem Konkurrenzunternehmen der Weimer Media Group beauftragt. Dieses möchte, so Haintz auf X, gegen die unlautere Werbung für die Weimer Media Group vorgehen’ und anonym bleiben.“ Der Rechtsanwalt ist selbst kein Unbekannter, sondern hatte während der Corona-Pandemie für eigene Schlagzeilen gesorgt. Als einen der Hauptaktivisten der Querdenker-Bewegung beschrieb ihn Sebastian Leber im „Tagesspiegel“. Sogar in der „Berliner Zeitung“ kritisierte Christian Gehrke den „in der Querdenken- und Corona-Leugner-Szene beliebten“ Anwalt. Eine weitere Anekdote schildert Sven Kaufmann in der „Südwest Presse“. Die Verfehlungen des BKM listet das „große JF-Dossier mit allen Fakten, Recherchen und Hintergründen“ auf. Darunter auch der von der Weimer Media Group veranstaltete „Frankfurt Finance & Future Summit“ vorige Woche: „Auch dieses zweitägige Event wird mit staatlichen Fördergeldern finanziert. Die Staatskanzlei des hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) teilte der, JF‘ am Dienstagnachmittag exklusiv mit, dass der, Frankfurt Finance & Future Summit’ mit 30.000 Euro von der landeseigenen Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Hessen Trade & Invest, gesponsert’ werde. Die erneute Staatsnähe war aber davor schon sichtbar: Rhein ist Schirmherr der Weimer-Veranstaltung.“ Ganz unbefangen sind wohl auch nicht die Medien, die „von der Weimer Media Group unter anderem bei derartigen Anlässen als ,Partner’ geführt“ werden, stellt Michael Maier in den „Stuttgarter Nachrichten“ fest. „Ins Auge sticht nun, dass über mutmaßliche – und bislang unbewiesene – Urheberrechtsverletzungen durch die Weimer-Postille, The European’ von beteiligten Medien auffallend wohlwollend und wertend berichtet wurde – der parteilose Minister und Merz-Intimus scheint jedenfalls gut vernetzt zu sein.“ Doch was macht eigentlich die Kultur? Das hat sich wohl Axel Brüggemann gefragt, der bei „Backstageclassical“ den neuen Kulturminister mit seiner Vorgängerin vergleicht. Gefragt hatte er sich offenbar schon vor den aktuellen Ereignissen, das macht seine Einschätzung aber auch nicht besser: „Für kurze Zeit bestand die Hoffnung, dass Wolfram Weimer wirklich jener bürgerliche Geist ist, als der er sich gern inszeniert. Ein moderner Freidenker im Sinne von Thomas Mann. Dass er im Amt keinen Revanchismus, sondern Ausgleich betreiben wird. Dass er die Kulturpolitik, die seine Vorgängerin Claudia Roth zum Politikum erhoben hat, wieder von politischer Ideologie befreit. Dass er versteht, dass die beste Kulturpolitik in der Entpolitisierung der Kultur besteht. Doch diese Hoffnungen wurden schnell enttäuscht, und der selbsternannte Thomas Mann entpuppte sich als wild umher ballernder Karl May. Er lackierte Claudia Roths kunterbunt-chaotischen Kulturspielplatz kurzerhand einfach schwarz um. Weimer ähnelt seiner Vorgängerin auch im Drang zur Selbstdarstellung, zum Teil mit ähnlichem Fremdschäm-Faktor. Irgendwie gelingt es dem Staatsminister erschreckend oft, in die Nachrichten zu kommen. […] Überhaupt ist da die Tücke des Konkreten. Das Kleingedruckte ist Weimers Sache nicht. Er ist eher ein Mann der Headline. […] Tatsächlich ist das vielleicht, was von den ersten Amtsmonaten von Wolfram Weimer bislang übrig geblieben ist. Er ist kein Politiker, der für den Dialog antritt, er ist keiner, der Kultur als schöpferischen Freiraum begreift. Und er denkt gar nicht daran, den Fehler rückgängig zu machen, den Claudia Roth begangen hat: die Kultur zu politisieren. Im Gegenteil, Kultur ist für den neuen Staatsminister am Ende ein rhetorisches Kampffeld.“
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