Im Herz der Finsternis
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Dennis Gansel hat einen Antikriegsfilm über Wehrmachtsoldaten und ihren Panzer an der Ostfront gedreht. Für den Kinofilm tat er sich mit Amazon zusammen. „Der Tiger“ sei „gewissermaßen die Antwort auf den Netflix-Erfolg ,Im Westen nichts Neues’“, schreibt Andreas Busche im „Tagesspiegel“ [Bezahlschranke]. Doch ihm behagt schon die ganze Idee nicht: „Der Bezug zu Francis Ford Coppolas ,Apocalypse Now’ ist ebenso offensichtlich wie die ideologische Nähe zur Verfilmung des Romans ,Das Boot’ […], mit dem das deutsche Kino Anfang der achtziger Jahre die restaurative Kohl-Ära begleitete.“
Diese Sorgen hat Lennart Sämann in der „Taz“ nicht. Er fragt sich aber, ob es wirklich nochmal zwei Stunden Film brauche, „die illustrieren, wie sich Befehlsträger der Wehrmacht eine Opfer-Haltung schaffen?“
Aber ja doch, findet Hanns-Georg Rodek in der „Welt“. Schließlich habe Gansel „eine inoffizielle Faschismus-Trilogie gedreht: ,Napola‘ über die NS-Eliteschule, ,Die Welle’ über ein Sozialexperiment, das zeigt, wie in einer Gesellschaft faschistoide Strukturen entstehen – und nun ist er im Herzen der Finsternis angekommen, dem deutschen Vernichtungsfeldzug im Osten. Gemessen an dessen zentraler Bedeutung für unsere Historie gibt es nicht viele deutsche Filme darüber […]. Soldaten wie sie werden später auf Befehlsnotstand plädieren“.
Gansel selbst kennt die Bedenken schon von „Napola – Elite für den Führer“ vor 20 Jahren. „Wir können doch nicht nur Widerstandsbiografien erzählen. Daraus sind großartige Filme entstanden. Aber 99 Prozent der Menschen im ,Dritten Reich’ haben eben mitgemacht. Sollten wir nicht auch Filme erzählen, die diesen Umstand zeigen?“ fragt er im Interview mit Michael Müller bei „The Spot“ zurück. „Es funktioniert, weil man zuerst mitfühlt und dadurch umso geschockter aus dem Film rausgeht. Das war auch mein Ansatz bei ,Der Tiger’. Wir gehen mit einer Gruppe von normalen Männern mit auf die Reise.“
Gedreht wurde in Tschechien. „Der einzige ,Tiger’, der noch fahren kann, steht im Tank Museum in Bovington. Der wurde zum Beispiel beim Film ,Fury’ eingesetzt, konnte da mit einem Team von zwölf Mechanikern pro Tag aber nur weniger hundert Meter fahren. Das war für unser Budget nicht denkbar. Wir haben dann einen existierenden russischen Panzer genommen und darauf unseren Original-Nachbau vom ,Tiger’ gesetzt. […] Das Innere wurde dann im Studio original getreu nachgebaut und gedreht. Bei uns ist er einen Hauch größer, ungefähr zehn Prozent. Es ist unglaublich eng in diesem Panzer. Die Schauspieler beschwerten sich auch am Anfang, dass sie sich wegen der Enge gar nicht anschauen konnten. Ich sagte nur: Jungs, das war aber so. Die Authentizität ist alles. Wir hatten auch einen Panzeroffizier der Bundeswehr als On-Set-Berater, der den Cast während der Dreharbeiten beraten hat. Uns war wichtig, dass viel über die historische Geschichte der Wehrmacht gelesen wird, dass man sich der Verantwortung bewusst wird.“  
 
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