Die Rettung des Filmlandes
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 Bislang hat der neue Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) nur allgemeine Grundsatzdiskussionen zur Kulturpolitik angeregt. Vorige Woche wurde Wolfram Weimer beinahe konkret. Bayerns Ministerpräsident Markus hatte vor dem Münchner Filmfest am Freitag zum zweiten „Bayerischen Filmgipfel“ mit Produzent*innen, Sendern und Streamern eingeladen, mit dem BKM als prominentestem Gast. Söders Sorge gilt der „schwächelnden deutschen Filmbranche“, berichtet David Steinitz in der „Süddeutschen Zeitung“ [Bezahlschranke]. „Sie drehe immer weniger daheim und immer mehr im Ausland, weil es dort bessere Konditionen und Steuersparmodelle gebe. Ganz zu schweigen von internationalen Produktionen, besonders aus Hollywood, die auch schon mal zahlreicher nach Deutschland gekommen seien.“ 
Bei Söders Plänen bleibt Steinitz skeptisch. Denn der habe „auch in Sachen Filmpolitik schon seit Jahren viel versprochen und wenig geliefert.“ Spannender ist da, was der BKM beim Filmgipfel zu sagen hatte. Schließlich warten so ziemlich alle darauf, dass die Reform der Bundesfilmförderung endlich vollendet wird. Drei Jahre nach der Ankündigung sind Investitionsverpflichtung und Steueranreizsystem immer noch nicht geregelt, obwohl sich die Regierungsparteien doch weitgehend einig schienen.
Auch Weimer will den Filmstandort Deutschland wieder konkurrenzfähig machen, große Hoffnung wecken seine Äußerungen aber nicht. Die Übersetzung vorab: die Investitionsverpflichtung wird verwässert, das Steueranreizsystem weiter verschleppt, und irgendwie klingt’s, als stehe die Zukunft des Deutschen Films nicht so ganz weit oben auf der Prioritätenliste des Beauftragten für Kultur und Medien und seiner Bundesregierung. 
Er habe nun die Streamingdienste eingeladen, berichtet Steinitz, „um mit ihnen die Möglichkeiten einer Art freiwilligen Investitionspflicht zu erörtern. Dieses Treffen solle noch vor der Sommerpause stattfinden. Ein Gesetz könne dann hoffentlich im ,Laufe des nächsten Jahres’ verabschiedet werden. […] Denn während die Investitionsverpflichtung Geld einbringen soll, müsste man für bessere Steueranreizmodelle erst mal sehr viel Geld ausgeben. Wie viel Budget der jetzt schon arg von den ersten Betriebswochen geschlauchte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil ihm dafür aber überhaupt in Aussicht stellen könne, verriet Weimer nicht. Dafür erklärte er, dass er sich im deutschen Film eine ,Hinwendung zur Publikumsakzeptanz’ wünsche. Das bedeutet übersetzt wohl: mehr Mainstream und weniger Arthouse. Das klingt natürlich ein bisschen neoliberal, ist aber nicht ganz falsch. Denn bislang agiert die deutsche Filmförderung vor allem nach dem Prinzip Gießkanne.“
Nicht ganz falsch? Die Filmförderung des Bundes ist aus guten Gründen nicht Sache des Wirtschaftsministers, sondern des Kulturstaatsministers. Und neoliberale Träume von „privatem Kapital“, das in Filme investiert, gab’s vor 25 Jahren auch schon mal – die Wikipedia hat einen eigenen Artikel dazu. Der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) machte es seit 2007 besser und wurde zu einem Vorbild für die aktuelle Reform des Filmfördergesetzes. Jedenfalls wird er regelmäßig für seinen sagenhaften Fördereffekt gepriesen – zuletzt wieder im Bericht zum Förderjahr 2024 [PDF-Download]: Insgesamt 1,21 Milliarden Euro sind bislang über DFFF I und II geflossen und „bisher allein in Deutschland zu Folgeinvestitionen in Höhe von rund 6,82 Milliarden Euro geführt.“ Fördereffekt: fast 600 Prozent.   
Hier wenigstens hatte Weimer eine gute Nachricht. Für die bisherigen Anreizförderungen DFFF I und II und German Motion Picture Fund (GMPF), wurden die Förderquoten und Kappungsgrenzen angehoben, und das habe bereits Wirkung gezeigt, berichtet Marc Mensch bei „The Spot“. „Laut Kulturstaatsminister Wolfram Weimer habe man schon in den vergangenen Wochen einen ,massiven qualitativen und quantitativen Sprung’ bei den Anträgen für neue Projekte erlebt.“
Woran dieser „qualitative Sprung“ festzumachen ist, wird freilich nicht erklärt.  Die Produktionsallianz begrüßte jedenfalls die „positiven filmpolitischen Signale“ und den „Rückenwind aus Bayern“ – auch wenn der noch lau und unbestimmt weht.
„Die Hoffnungen und Illusionen der Film-Branche“ hat die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ [Bezahlschranke] ihren Artikel zum Ministergipfel überschrieben. Dort schildert Jörg Seewald die leisen Zweifel: „Trotzdem bleibt bei vielen Filmfest-Gästen die Sorge, ob die Versprechungen schnell genug umgesetzt werden. Wenn die Steuererleichterungen erst 2026 griffen, finde vorher noch ein großes Produzentensterben statt, lautet die Befürchtung“.
 
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