Vertraue nicht den Algorithmen!
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*Und kauft besser beim Händler um die Ecke: Apokalyptiker & Integrierte – 
Gedanken in der Pandemie 92. Von Rüdiger Suchsland *

Ein nicht mehr ganz junger Mann, der immer nur falsche Entscheidungen trifft, 
und nicht einmal von seinen Eltern geliebt wird. Weil er alle Chancen vergeigt, 
die er bekommt. Und ein naives junges Mädchen, das fast noch ein Kind ist, als 
es seinen Märchenprinzen trifft. Dem dann, als dieser sich schnell als Frosch 
entpuppt, der Mut fehlt, und vielleicht auch die Intelligenz, im richtigen 
Moment noch abzuspringen von dem Schlitten, der sie in ihr Unglück führt …

Wir alle kennen diese Geschichte vom Prinz und dem Mädchen, vom traurigen 
Charles und der unglücklichen Diana Spencer. Jetzt wird sie noch einmal erzählt, 
in der vierten Staffel der Serie „The Crown“, die seit gut zwei Wochen auf 
Netflix verfügbar ist. Ganz Großbritannien streitet nun, was dran ist, an den 
Facetten und Innenansichten, um die das Bekannte bereichert wurde. Gute 
Recherche der Autoren oder ihre blühende Phantasie? Der Reiz dieser Serie liegt 
genau hier: Dass Zeitgeschichte nacherzählt wird,  aber um Details und Szenen 
ausstaffiert, die ausgedacht sein müssen, weil bei ihnen nur die handelnden 
Personen selbst dabei waren.

Was die Handlung dieser vierten Staffel von den drei vorhergehenden (die man 
weiterhin ansehen kann) unterscheidet, ist, dass viele Zuschauer sie zumindest 
in Teilen mit eigenen Erinnerungen abgleichen können. Selbst wer sich für die 
Royals nicht interessiert, wer die Monarchie abschaffen und Elisabeth Windsor am 
liebsten aufs Schafott schicken möchte, weiß um die „Rose of England“ Lady 
Diana, die ein globaler Pop-Star war, und kennt die „Eiserne Lady“ Margaret 
Thatcher, die 1979 Premierministerin wurde, und einer ganzen Epoche ihren 
persönlichen Stempel aufdrückte, und ihren Namen gab. „Verstörend“ nennen manche 
britischen Kritiker jetzt die Darstellung Thatchers durch Gillian Anderson 
(„Akte X“) – sie ist schrullig, affektiert, gekünstelt und erkennbar 
machtbewusst: Das Gegenteil jener unangreifbaren Unverbindlichkeit, die die 
meisten heutigen Politiker als Teflon-Figuren erscheinen lässt. Ein paar Folgen 
von „The Crown“ genügen, und man denkt: Die Leute hatten früher einfach schönere 
Probleme. Wahrscheinlich ist das auch der Sinn des Ganzen.

So ist „The Crown“ das ideale Antidepressivum in einer Zeit, in der sich der 
„Lockdown Light“ vorhersehbar in einen „Lockdown Blei“ wandelt. Die stargepickte 
Serie, eines der teuersten „Netflix Originals“, wäre auch ohne Corona und 
Lockdown ein Highlight der Vorweihnachtszeit geworden. Jetzt aber ist sie der 
seltene Fall einer Serie, die zum globalen Ereignis wird, die wie früher die 
TV-„Straßenfeger“ Generationen und Kontinente vereint. Auch mit Amerikanern oder 
Chinesen kann man sich über „The Crown“ unterhalten.

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Nun, da auf den „dunklen November“ (Markus Söder) ein noch dunklerer Dezember 
folgt, und so schnell keine helleren Zeiten kommen dürften, müssen sich selbst 
eingefleischte Filmfans mit derartigen Streaming-Angeboten die Zeit vertreiben. 
Es ist schwer, sich Pfade durch den Dschungel des Massenangebots zu schlagen. 
Der wichtigste Ratschlag hierzu lautet: Vertraue nicht den Algorithmen! „XY 
könnte Dir auch gefallen“ führt schnell in die Wüste des Immergleichen. Besser 
man nimmt sich vor, zumindest pro Woche eine Serie auszuprobieren, von der man 
noch überhaupt nichts gehört hat. Warum nicht eine Polizeiserie aus Indien? Eine 
brasilianische Krankenhaus-Soap? Nirgendwo kann man die Welt besser 
kennenlernen, als beim Surfen durchs Unterhaltungsfernsehen. Womit auch gleich 
der zweite Tip genannt wäre: Es muss nicht immer aus Amerika sein.

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Auch die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen funktionieren wie 
Streaming-Dienste – mit dem Unterschied, dass sie nichts kosten. Empfehlen kann 
man unbedingt die schwedisch-dänische Thriller-Serie „Grey Zone“ (ZDF) über eine 
Anti-Terror-Einheit, und eine Wissenschaftlerin, die in der Hand von Terroristen 
ist: Spannung bis zum Schluß – und ab dieser Woche gibt es auch die zweite 
Staffel. Ebenfalls in der zweiten Staffel läuft „Die Purpurnen Flüsse“ (ZDF), 
eine französisch-deutsche Serie aus abgeschlossenen 90-Minuten-Folgen: Zwei 
Polizei-Experten sind jedes Mal Morden auf der Spur, die religiöse und rituelle 
Hintergründe haben: Vom Kloster bis zur Sekte – eine Art „Der Name der Rose“ in 
der Gegenwart.

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Corona und jeder Lockdowntag sind ein Riesen-Sponsoring für Amazon und andere. 
Die Online-Dienste werden subventioniert, indem deren Konkurrenz staatlich 
verordnet ausgeschaltet oder zumindest durch diverse Verordnungen behindert wird.

Wenn es irgend geht, dann solltet ihr bitte, liebe Leser nicht auch noch bei 
Online-Diensten kaufen.

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Eine Präzisierung für alle, denen eine meiner Formulierungen im letzten Blog 
offenbar zu unklar war. Ich hatte geschrieben, der im politischen Diskurs gerade 
dominierende Weihnachtsfestrettungskitsch müsste gerade für all jene eine 
obszöne Farce sein, „die im Gegensatz zu mir die Maßnahmen unser Regierung für 
angemessen, die Ansteckungsgefahr für groß und die Krankheit Corona für 
gefährlich halten.“ Das war zumindest unpräzise. Denn der sich daraus logische 
ergebende Umkehrschluss, dass ich Corona für ungefährlich hielte, trifft so 
nicht zu.

Zwar bedeutet auch dieser Satz „Ich halte die Krankheit Corona für nicht 
gefährlich“ nicht dasselbe, wie die Aussage: „Die Krankheit Corona ist nicht 
gefährlich“, sondern nur (zudem in indirekter Form) eine persönliche, subjektive 
Einschätzung.

Aber auch die ist zu pauschal, und obwohl ich glaube, dass ihr Leser oft ja 
schon mehrere meiner Texte gelesen habt, und insofern Bemerkungen auch 
einschätzen könnt, weiß ich umgekehrt auch, dass man hier viele Dinge nicht oft 
genug erklären und wiederholen kann.

Rein sachlich hätte ich besser einschränkend geschrieben: „ …die im Gegensatz zu 
mir die Krankheit Corona für besonders gefährlich halten.“ Andererseits haben 
die anderen beiden Adjektive auch kein Adverb bekommen, das sie steigert oder 
einschränkt.

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Es ist wirklich nicht so wichtig, was ich überhaupt meine. Und manchmal muss ich 
es selber erst rausfinden. Aber was ich „eigentlich“ meinte, war wohl den 
meisten schon klar: „nur für relativ gefährlich halten“. „Relativ“ im Verhältnis 
zu vielen anderen Krankheiten und den täglichen Gesamt-Todeszahlen. Und 
gefährlich für normale gesunde Menschen ohne Vorerkrankungen.

Sehr wohl halte ich Corona dagegen für besonders gefährlich für die hinlänglich 
bekannten Risikogruppen. Und für das Gesundheitssystem und dessen Kosten. Dies, 
vor allem der zweite Grund, sind aus meiner Sicht die wahren Gründe, warum man 
den Lockdown macht.

Um so schlimmer, dass man trotzdem Weihnachten dann lockert, nur wegen des Gefühls.

„Potenziellen Gefahren“ setzen wir uns natürlich alle aus. Die meisten versuchen 
nur, das Risiko zu kalkulieren. Wäre sie auf, würde ich in eine Kneipe gehen, 
und ins Stadion. Aber nicht auf eine Party. Aber auch ein 
Medienboard-Weihnachtsempfang ist nicht voller, als die S-Bahn oder das KaDeWe 
zur Zeit.

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Vor genau 120 Jahren ist Oscar Wilde gestorben. Es gäbe viele Gründe, an diesen 
großartigen, witzigen, klugen, provokativen Freigeist zu erinnern. Ich will nur 
einen nennen: Wildes einmalige Verbindung von hedonistischem, freiheitlichen, 
geistes-aristokratischem Denken mit einer bestimmten Vorstellung von 
Sozialismus. Neben seinen Stücken und dem wunderbaren „Das Bildnis des Dorian 
Gray“ würde ich „Die Seele des Menschen unter dem Sozialismus“ empfehlen.

Bis Mittwoch!
Euer Crew United Team

Crew United - Lutz und Zenglein GbR
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